Liebe Anna,
wie Du ja weisst bin ich mehrheitlich den schönen und genussvollen Dingen im Leben zugewandt…;-)…mit ein Grund weshalb ich mich seit meinem Aufenthalt in Argentinien vor 3 Jahren verstärkt für Wein interessiere und mein Wissen auf diesem Gebiet stetig ausbaue. Momentan besuche ich gerade den WSET Level 3 Kurs bei der académie du vin hier in Zürich und werde Mitte Juni eine Blinddegustations- und eine zweistündige Wissensprüfung ablegen. argh
WSET steht für Wine and Spirit Education Trust, eine internationale Organisation, die 1969 in London gegründet wurde und zum Ziel hat, weltweit eine vereinheitlichte, professionelle Ausbildung in Wein und Spirits für Professionals und Amateure (wie mich ;-)) zu gewährleisten. Es gibt 5 Levels, vom Basics Kurs bis zum international anerkannten Diplom als Wein Akademiker.
Langer Rede kurzer Sinn: ich sollte momentan eigentlich büffeln, und zwar ziemlich intensiv, denn ein Monat von dem dreimonatigen Kurs ist bereits passé und ich war bis anhin gar keine gute Studentin! Ständig habe ich anderes im Kopf als mich brav hinzuhocken und die Facts zu lernen. Jaja, den praktischen Teil übe ich regelmässig mit Dir in der Küche, das schon…;-)), aber ich sollte nun die unterschiedlichen Traubensorten, die Weine der Hauptregionen in Europa und der neuen Welt und deren Besonderheiten wie aus dem ff abrufen können! Sprich: Du wirst nun mein „Lernopfer“ und musst mit mir auch theoretisch üben! 🙂
Also meine Liebe, es geht los, Lektion Nr. 1: Degustationstechnik!
Die professionelle Degustationstechnik, die „cata profesional“, wie es an der Escuela Argentina de Vinos in Buenos Aires auf Spanisch so schön hiess, folgt 3 von unseren 5 Sinnen: Auge, Nase und Mund. Und bei allen dreien wird erst analysiert, ob der Wein fehlerhaft sein könnte, dann spezifisch Farbe, Geruch und Geschmack begutachtet, um ein objektives Urteil über einen Wein abzugeben. Es geht dabei nicht so sehr darum, ob ein Wein einem persönlich schmeckt, sondern ob er objektiv gesehen ein komplexer, qualitativ hochstehender oder eher einfacher Wein ist.
Als Erstes begutachten wir den Wein von Auge. Ist er rein oder schwimmt etwas Unerwünschtes drin rum? Ist der Wein blass oder tieffarbig? Die Farbe eher zitronen- oder goldgelb, helles Granatrot oder dunkelstes Purpur? Bilden sich Schlieren am Glas, wenn ich es schwenke? Das alles verrät schon einiges über den Wein! Blasse Weissweine sind tendenziell eher jung, eher aus kühlen Regionen und meist ohne Holzfasslagerung ausgebaut, tieffarbige Weine meist komplexer, aus heissen Regionen und haben oft ein paar Monate bis Jahre in einem Eichenfass verbracht. Schlierenbildung am Glas deutet auf die Höhe des Alkohol- und Zuckergehalts hin: läuft es langsam und ölig runter, ist der Wein eher hochprozentig oder süss, sieht man kaum was wie bei Wasser, hat der Wein eher eine niedrige Alkohol-/Zuckerkonzentration.
Dann geht’s an die Nase: Auch hier prüfen wir erst, ob der Wein einen fehlerhaften Geruch haben könnte, zum Beispiel könnte er modrig oder nach Kork riechen. Dann filtern wir die Intensität vom Geruch und die unterschiedlichen Aromen heraus. Riecht er süss, blumig, fruchtig, holzig, erdig oder würzig? Steigt einem gleich der Alkohol in die Nase oder riechen wir eigentlich gar nicht so richtig was? Hier kann sich nun eine Vorahnung, die sich beim Test per Auge aufgetan hatte, bestätigen oder auch wieder verworfen werden. Ausserdem werden die gerochenen Aromen in Primär-, Sekundär- und Tertiärnoten unterschieden. Primärnoten sind Duftnoten, die aus der Frucht kommen, also Gerüche von – je nach Wein – Zitronen, Aprikosen, Himbeeren, Cassis oder Dörrpflaumen etc. Sekundäraromen werden während der alkoholischen Gärung durch Hefen und Milchsäurebakterien gebildet und zeigen sich als weiche buttrige oder Joghurt-Noten. Und die Tertiäraromen bilden sich bei der der Lagerung im Fass und der Flasche. Durch den Kontakt zum Holz nimmt der Wein neue, meist Röstaromen wie Kaffee, dunkle Schokolade oder Toast auf, aber auch süssliche Noten wie Vanille, Karamell und Honig.
Du siehst, durch die Weinbereitung und den sogenannten Ausbau eines Weines im Keller, das heisst durch alle Stadien, die eine Traube ab Ernte über die Gärung bis zum Abfüllen in eine Flasche durchläuft, wird der Wein beeinflusst und geformt! Wobei dem Wein nie aktiv etwas zugegeben wird, die gesamte Aromatik ist in der Traube bereits gespeichert und wird durch die Verarbeitung nur aus ihr hervorgeholt. Ist doch fantastisch, findest Du nicht? 🙂
Und jetzt endlich, liebe Anna, nach der ganzen Vorarbeit, darfst Du den Wein probieren und herausfinden, ob sich das alles auf der Zunge bestätigt oder ob der Wein mehr Schein als Sein ist! 😉 Es geht los mit der Zungenspitze, wo man gleich spürt, ob der Wein süss ist oder nicht. Wenn er nicht süss ist, bezeichnet man einen Wein als trocken. Dann analysiert man anhand des einsetzenden Speichelflusses, ob der Wein eine hohe oder niedrige Säure aufweist und am Zahnfleisch spürt man bei Rotweinen die Gerbstoffe, die das Zahnfleisch wie pelzig anfühlen lassen. Diese Gerbstoffe, welche aus der Traubenschale kommen, bezeichnet man als Tannine und durch die Lagerung im Fass können diese weicher und weniger adstringierend werden. Dies macht einen Wein dann eleganter. Weiter schmecken wir nun hier im Mund die gesamte Aromenvielfalt eines Weines, so wie wir sie schon in der Nase gerochen haben oder es kommen neue dazu. Und zuletzt, wenn man professionell den Schluck ausgespuckt oder geniesserisch runtergeschluckt hat, analysiert man, wie lange der Geschmack des Weins im Mund noch hängenbleibt und nachhallt, was man dann als kurzen oder langen Abgang bezeichnet.
Voilà! C’est ça! 🙂 Jetzt, nach dem Sammeln all dieser Kriterien, können wir ganz objektiv beurteilen, ob dieser Wein hält, was er verspricht und ob er für seine Rebsorte, seinen Ausbau und seinen Preis gerechtfertigt ist. Und uns überlegen, was wir denn nun zu dem wunderbaren Tropfen kochen wollen! Das finde ich Geniesserin nämlich das Spannendste an dieser ganzen Weinkunde: das perfekte Matching von Wein und Essen. Aber dazu mehr ein anderes Mal, jetzt haben wir genug gelernt für heute!
Prost my Roomie!
Julie
… Heya das Wochenende kann kommen und wir haben eine perfekte Ausrede viel Wein zu genießen und gelerntes gleich anzuwenden 😊
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Liebe Joe,
das freut mich! 🙂 Lass mich doch wissen, was Du Gutes probiert hast…
LG Julie
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