Liebe Julie,
das Wetter scheint zurzeit allerorts der Laune zu entsprechen: unterkühlt, launenhaft und nebelig. Diesbezüglich kann ich dir leider auch nichts Besseres berichten hier aus Wien… Und dieser trübe Blick scheint sich auch auf Herzensangelegenheiten zu beziehen. Ja, ja. Same same und leider nicht different.
Deine Zeilen haben mich einmal mehr zum Nachdenken angeregt und am Wochenende hatte ich gleich zwei Mal einen mega Brunch – ja, Brunchmunch wie du meintest, war mehr als treffend – bei dem wir auch über Beziehungsdinge geredet haben. Und das neben köstlichem Essen, dass mich an deinen Kuchenvergleich erinnert hat. Und! So viele unds wirst du dir jetzt denken, aber in diesem Fall ist das nun einmal so… Und dann kam da noch dein 6-Minuten-Tagebuch hinzu. Eine unschlagbare Kombi für einen Kopfmenschen wie mich!
Brunchmunch #1 war am Samstag und ein klassisch schöner Girly Talk. Hier haben wir uns auch über die neuen Dating-Sitten unterhalten, wobei es spannend ist, von einem Mädel in Beziehung den Blickwinkel zu sehen. Das Entsetzen war schon so manches mal mehr als nur in den Augen… Iiiikkksss!
Wir kamen mitunter auch darauf zu sprechen, was einem denn wichtig sei im Leben, denn bei all diesem Hin und Her merkt man bald, dass nicht alles, was glänzt, Gold ist und man auch nicht von vermeintlichem Goldstückchen zum nächsten hüpfen sollte. Aber ähnlich wie bei Süßigkeiten ist der Rausch des „Next, next, next“ oft übermächtig groß und dank dem Neuromaster Handy ist das nächste Glückchen ja nur ein kleines Stückchen entfernt. Wisch. Wisch. Oder gar Wischiwaschi? 😉
Inne halten scheint out zu sein, aber ist oft genug exakt jener Zeitpunkt, an dem man jemanden richtig kennen lernen kann. So war es auch bei meiner Freundin. Als sie in Balance und in sich ruhend war, hatte sie ihren Ehemann kennen und lieben gelernt. Sie hat mich nach meinen Wünschen und wichtigen Punkten für die nächste Zeit gefragt. Da musste ich schmunzeln, denn da lag doch schon dein 6-Minuten-Tagebuch zu Hause am Nachttisch, also offensichtlich keine Handy-App mit einem tollen Lebensmasterplan, und ich war schon dran die Intro zu lesen. Ich weiß durchaus, was ich will und habe meine Prioritäten, aber dann kommt manchmal das Leben dazwischen wie eine andere liebe Freundin immer zu sagen pflegt.
Brunchmunch #2 war mit eben zuvor genannter Freundin und – Trommelwirbel! – einem sehr guten Freund. Jawohl, endlich ein männliches Wesen! Man könnte ihn auch als Cushionist bezeichnen, denn seine Pipeline ist nie endend wollend. Er kennt darüber hinaus sämtliche Plattformen, wobei Tinder nur das Einstiegsportal für Anfänger ist. Er stürzt sich immer von einer Geschichte in die nächste, manchmal auch parallel. Was man ihm zu Gute halten muss ist aber, dass er kein Benching betreibt oder gar Ghosting. Klare Kommunikation sei alles und deswegen gäbe es auch das „Exclusive Date“, denn dann kann man sicher sein, dass keine Mehrgleisigkeiten mehr gefahren werden. Blöd ist nur, dass man das nicht so schnell bekommt… Tiefe Einblicke in eine männliche Seele. Spannend war jedoch vielmehr als er meinte, dass in den letzten Jahren niemand wirklich passender dabei gewesen wäre und er irgendwie froh ist, dass er seine Liebensfähigkeit nicht komplett verloren hat.
Die Fähigkeit zu lieben. Ja, wie ist es denn um sie bestellt? So wie dich beschleicht mich das Gefühl, dass diese auch einfach weg gewischt wird. Lieber irgendjemanden haben als alleine zu sein. Im Auto werden schließlich auch immer mehr Airbags eingebaut, das kann man doch auch im Liebesleben gleich mit mehreren Cushions machen, damit’s nicht so weh tut, wenn es einmal nicht klappt. Lieber stopft man seine Kissen in die kleinsten Ritzen, damit man eine Rundum-Anti-Weh-Garantie hat. Da soll man sich mal nicht so haben, steht einem ja auch frei, das gleiche zu tun, aber die Leute mit Herz, hat’s eben genau dann immer. Denn wenn man es noch hört und es nicht unter all diesen Kissen begraben wurde, dann meldet es sich schon zu Wort. Und dieses Herz weiß genau, ob es für Schokokuchen schlagen will oder Kardinalschnitte.
Deswegen ist in meinem 6-Minuten-Tagebuch auch ein Teil den Herzensangelegenheiten und wie ich damit umgehen möchte gewidmet, weil ich meine Prios kenne und ein wenig zur Ruhe kommen will. Es geht dann einzig und alleine um mich und meine Ziele, Träume und Wünsche jenseits des Vergleichs mit Greti und Pleti. Stur wie ich bin hoffe ich noch immer, dass wenn ich mich anders verhalte, vielleicht andere auch wieder andere Wege beschreiten. Denn unkommunkativer und unsozialer als im Social Media Gedöns kann es ja schon kaum nicht mehr werden.
Auf herzvollere Zeiten in unserer grauen Welt der Dating-Zombies!
Bussi,
Deine Anna